(Beitragsbild: CC0 licensed photo by Nilo Velez from the WordPress Photo Directory)
Freitag, 22.11.2024
Hiobsbotschaft
Die Koffer fast gepackt, die Packliste zum x-ten mal geprüft – und dann eine beunruhigende Nachricht. Das Hotel, dass uns für 7 Tage beherbergen wird, soll, als der Fluss über die Ufer trat, überflutet worden sein. Aufräumarbeiten würden Zeit in Anspruch nehmen. Diese Nachricht kommt nicht von dem eigenen Reiseveranstalter, sondern von einer Mitreisenden, die bei einem anderen Reiseveranstalter gebucht hatte. Komisch denken wir alle.
Kontakt mit Check24
Den Pauschalurlaub hatten wir über Check24 gebucht. Also rufen wir Check24 an und lassen sicherheitshalber unser Gespräch aufzeichnen. Nichts, die nette Mitarbeiterin weiß von nichts. Sie verspricht jedoch, dass wir spätestens am nächsten Tag – am Samstag also – Bescheid bekämen. Nur wir fliegen bereits Montag Mittag. Bei unserer Mitreisenden steigt die Befürchtung auf, dass es sich bei der Benachrichtigungs-eMail ihres Veranstalters um eine Phishing- oder sonst-was-Mail handelt. Also sehen wir uns gezwungen, selber beim Hotel im fernen Land anzurufen. Die Überflutungs-Information wird bestätigt. Was tun?
Zweiter Anruf bei Check24
Spätestens jetzt ist man beunruhigt, nicht wahr? Erneut rufen wir Check24 an – es ist bereits 22:00 Uhr. Wir unterrichten den Mitarbeiter vom neuen Sachstand. Er versucht uns zu beruhigen, schließlich hätten wir noch 3 Tage bis zum Reiseantritt. 3 Tage, von wegen! Letzten Endes sind es nur noch 2 Tage, da es bereits Freitag Nacht ist, man Montag Mittag fliegt, man 2 Stunden vorher am Flughafen sein muß – tausend Gedanken!
Auf unsere Frage, warum der andere Reiseveranstalter bereits um 15:00 Uhr seine Kunden benachrichtigt und wir noch immer nicht informiert wurden, erhalten wir eine beunruhigende Antwort. Nunmal sei unser Reiseveranstalter ein kleiner in der Branche, man versuche ihn zu kontaktieren. Uns erschließt sich dieses Argument nicht. Wenn derartiges absehbar ist, warum arbeitet Check24 dann mit solchen Veranstaltern? Obendrein, würden nicht auch kleine Reiseveranstalter spätestens nach einer Verzögerung von 7 Stunden ihre Kunden benachrichtigt haben? Fragen über Fragen – komisch denken wir uns erneut.
Nun ja, es gibt einen Ausweg – so glauben wir. Wo doch Check24 uns Hilfestellung bei der Auswahl einer Alternative geben würde und wir keine Nachteile zu befürchten hätten, beruhigt uns der Check24-Mitarbeiter. Er würde für uns zwar unverbindlich, aber doch bereits vorab drei Hotelalternativen recherchieren und per eMail schicken. Noch am gleichen Tag erhalten wir die versprochene eMail.
Jetzt fragen Sie sich sicherlich, was hat das mit der Insolvenz zu tuen?
Samstag, 23.11.2024
Zwei eMails von Check24
Um 11:14 Uhr zwei eMails. In der ersten eMail steht unter anderem:
„… Bisher liegen uns von Ihrem Reiseveranstalter keine Informationen vor, dass Ihre Reise beeinträchtigt sein wird. Nach dem aktuellen Stand können Sie am Montag in Ihren wohlverdienten Urlaub starten. Wir stehen allerdings weiter im Austausch mit Ihrem Reiseveranstalter und werden Sie unverzüglich informieren, sobald es Änderungen an der Reise gibt …“
Die Freude ist groß!
Insolvenzmeldung der We-Flytour
Diese Freude währt jedoch nur ein paar Minuten. In der zweiten eMail lese ich:
„Neue Nachricht zu Ihrer Reise: DRINGENDE MITTEILUNG ZUR IHRER REISE !!
Ihre Reise vom 25.11.2024 bis 02.12.2024 | Buchungsnummer …
Sehr geehrte …, bitte beachten Sie die folgende Nachricht zu Ihrer Reise vom 25.11.2024 bis 02.12.2024.
Die Nachricht finden Sie im Originalformat auch im Anhang dieser eMail.
Mit freundlichen Grüßen Ihr CHECK24 Reise-Team“
Als ich dann die Anlage dieser eMail öffne, verstehe ich, warum es eine DRINGENDE MITTEILUNG ist:
„Wichtige Mitteilung zu Ihrer Buchung
Mit großem Bedauern möchten wir Sie davon informieren, dass die WE-Flytour GmbH gezwungen ist, Insolvenz beim zuständigen Amtsgericht anzumelden. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, und wir bedauern die damit verbundenen Auswirkungen für unsere Kunden und Partner zutiefst. Leider bedeutet dieser Schritt, dass wir Ihre bestehende Buchung stornieren müssen. Eine Durchführung der Reise ist uns unter den aktuellen Umständen nicht mehr möglich …“
X. Anruf bei …
Mein Gespräch mit der netten Check24 Mitarbeiterin als auch mit dem Mitarbeiter, dessen Stimme wie aus dem Bad kommt, läuft ins Leere. Das Gefühl eines kalten Schulterzuckens wird mir vermittelt. Einzig und allein eine Notfallnummer wird mir gegeben. Die Frau am Ende dieser Nummer meldet sich mit „D.E.R. …“ den Rest verstehe ich nicht. Ich bin irritiert was hat die D.E.R. nun mit we-Flytours zu tun frage ich mich.
Die Frau hat jedoch keine Zeit, sie lässt es einen spüren, aber bis man die richtigen Worte für die Frage findet, vergeht nunmal etwas Zeit. Dann stelle ich etwas ratlos meine Frage. Sie führt an, dass derzeit vorrangig die Rückführung der gestrandeten Urlauber Priorität hätte, nuschelt aber etwas von „DSRF“. Als ich sie bitte, es zu buchstabieren, ist sie nur noch eine Millisekunde vom Ausrasten entfernt – so scheint es mir. Ich lege auf.
Es bleibt ein Kopfschütteln, ein Gefühl der Ungläubigkeit und es hallt immer wieder „Was nun?“ als Frage.
Sonntag, 24.11.2024
Familienrat oder Rücklastschrift
Am Sonntag laufen unsere Drähte heiß. Der Familienrat wird einberufen, man beratschlagt, überlegt:
- ob man das Geld noch retten kann,
- ob eine Rücklastschrift noch möglich ist,
- wenn ja, ob dies rechtlich zulässig ist,
- ob die Mitreisende ohne weiteres stornieren darf und sie ihr Geld zurückbekommt,
- ob man dann einen Alternativ-Urlaub organisieren kann,
- und und und – wie es so ist.
Parallel zu den Gesprächen recherchieren wir im Internet. Zufällig stoße ich bei TrustPilot auf einen Eintrag zu dem insolventen Reiseanbieter We-Flytour. Dort berichtet ein User von seiner Reise am 03.11.2024 :
„… Wir hatten über Check24 eine Reise nach Teneriffa gebucht. Der Transfer am Flughafen war nicht zu finden und als wir im Hotel ankamen hatte man von uns keine Buchung … Am nächsten Tag dann mehrere Anrufe und wir erhielten die Info das das Hotel nicht bezahlt wurde/ wohl ein Systemfehler … nach weiteren Anrufen wurde das Geld dann doch vom Reiseveranstalter bezahlt …“
Fast 3 Wochen vor Bekanntgabe der Insolvenz gab es scheinbar schon Zahlungsschwierigkeiten. Wann genau muß ein Unternehmen Insolvenz anmelden, unter welchen Voraussetzungen wird hieraus Insolvenzverschleppung? Eine interessante Fragestellung.
Sicherungsschein
Bis jetzt wußte ich gar nicht, was ein Reisesicherungsschein ist. Nach deutschem Reiserecht ist ein Pauschalurlaub-Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden einen Sicherungsschein auszustellen. Es ist ein Nachweis für den Reisenden, dass sein Reiseveranstalter ihn vor Insolvenzgefahr versichert hat. Genannt wird in diesem Schein der Versicherer, der im Schadensfall dann eintritt. Gesetzlich abgesichert sind nur Reisende, die Pauschalreisen oder aber verbundene Reiseleistungen buchen, alle anderen bleiben auf den Kosten sitzen.
Die Idee zu diesem Absatz kam mir, als ich auf der Seite des Deutschen Reisefonds die Antwort auf die Frage „Wie kann ich wissen, ob der Sicherungsschein vom DRSF, den ich erhalten habe, echt ist?“ las. Natürlich sollte man, wenn man keinen erhalten hat, immer hiernach fragen. Und wenn man einen erhalten hat, sollte man ihn auf Echtheit prüfen oder am besten eröffnet man eine eigene Versicherung. Denn dann weiß man, was man bei welcher Klausel und bei welcher Formulierung bekommt, in welcher Höhe was versichert ist und auch was echt ist und was nicht.
Aber Ironie beiseite. Nach dieser „Erleuchtung“ steigt in mir Panik auf, denn ich meine, ich hätte diesen Schein nicht erhalten. Die Suche in meinem eMail-Postfach ist vergebens, letztendlich werde ich in meinem Check24-Account fündig.
Deutscher Reisesicherungsfond
Der Tipp, dass ich jedes Recht der Welt habe, eine Rücklastschrift zu veranlassen, da die vereinbarte Leistung nicht erbracht wurde und der Pauschalurlaub ja seitens des Reiseveranstalters storniert wurde, macht Sinn. Diese Möglichkeit brennt mir unter den Nägeln, aber ich bin mir unsicher, ob dies nicht mit dem Insolvenzrecht kolidieren könnte.
Also liegt es nahe, im nächsten Schritt den Versicherer von We-Flytours zu kontaktieren. Habe dann nach einer Wartezeit eine Mitarbeiterin des Deutschen Reiseversicherungsfonds an der Strippe. Auf meine Frage „Hätte ich rechtliche Nachteile zu befürchten, wenn ich eine Rücklastschrift veranlassen würde?“ erhalte ich folgende kryptische Antwort „Am Anfang nicht“, hiernach legt besagte Frau auf – tote Leitung. Jetzt kratze ich mir nachdenklich den Kopf was sollte das?
Montag, 25.11.2024
Rechtschutzversicherung
Man erinnert mich daran, dass ich ja Rechtschutz-versichert sei und diesen in Anspruch nehmen könnte. Was jetzt folgt ist auch eine Geschichte für sich. Um mich nicht unnötig in Schwierigkeiten zu bringen, vielleicht brauche ich ja noch rechtliche Unterstützung, verfremde ich die Firma.
Die nächste Anrufkette bei meinem Versicherer „Versicherung X“ beginnt. Nachdem ich die Telefonnummer wähle, muß ich mich durch ein Roboter-Sprachmenu hangeln, bis ich eine natürliche Person sprechen kann. Diese wiederrum verweist mich an die Leistungsabteilung unter anderer Telefonnummer. Dort jedoch meldet sich die „Versicherung Y“. Dies irritiert mich, bis mir aufgeht, dass der „Versicherer X“ unter seiner Firma die Produkte von „Versicherung Y“ vertreibt. Nun gut, es ist wie es ist.
Nach Prüfung durch die Leistungsabteilung werde ich zur Rechtsberatung durchgestellt. Nachdem ich die Situation sehr kurz und grob darlege, soll ich, ohne dass weitere Fragen gestellt werden, etwas ausfüllen, was sie mir per eMail zuschicken werden – von Beratung keine Spur. Ich wende ein, dass ich eigentlich nur folgende Frage „Kann ich eine Rücklastschrift veranlassen, ohne Nachteile zu bekommen?“ beantwortet wissen will. Nach Rücksprache mit seinem Kollegen wird meine Frage bejaht.
Jetzt wird es skurill, denn ein paar Stunden später erhalte ich eine eMail von „WirKaufenDeinTicket.de“:
„… wie besprochen übersenden wir Ihnen anbei die Beauftragungsunterlagen zur zügigen außergerichtlichen Geltendmachung Ihrer Ansprüche.
Hierzu müssen Sie lediglich die beigefügte Beauftragung von unserem auf Reiserecht spezialisierten Inkasso Partner … unterzeichnen. Zudem bitten wir Sie, das ebenfalls beigefügte Schadensformular ausgefüllt zurückzusenden …
Schicken Sie uns die Beauftragungsunterlagen und … zurück. Fügen Sie … bitte noch Ihre Buchungsunterlagen und eine Sachverhaltsschilderung bei …“
Ich wusste nicht, dass ich meinen Pauchalurlaub verkaufe und auch „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“ denke ich zuerst . Aber letztendlich soll ich ein Inkassounternehmen beauftragen, was ich aber nicht will. So entpuppt sich dann die Rechtsberatung als eine Beratung für die Beauftragung eines Inkassounternehmens, das mit der „Versicherung Y“ zusammenarbeitet, aber ohne Beratung. Blickt noch einer durch?
Daraufhin rufe ich erneut die Versicherung an, die Versicherung reicht mich an die andere Versicherung weiter, dort werde ich wieder in die Leistungsabteilung durchgeschaltet und darf dort dann meinen Unmut kund tuen – „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Dieses Mal lande ich anschließend bei einer anderen Anwaltssozietät. Wir vereinbaren für Morgen zwischen 09:00 und 10:00 Uhr einen Telefontermin. Ich bin gespannt!
Dienstag, 26.11.2024
Zur vereinbarten Zeit werde ich auch angerufen. Die Frau am anderen Ende der Leitung stellt sich als Frau ABC vor und teilt mit, dass sie Rechtsanwältin sei. Ich lege ihr in kurzen Worten, die ich mir vorher notiert habe, die Situation dar, auch meine Fragen. Nach ein paar Minuten, die sie zur Recherche wohl braucht, meldet sie sich wieder. Kurzangebunden teilt sie mir mit, dass ich keine Rücklastschrift veranlassen, sondern mich an den Versicherer von We-Flytours schriftlich wenden solle. Meine Frage, ob ich noch andere Ansprüche geltend machen kann, verneint sie. Also setze ich mich hin und formuliere folgenden Brief:
Musterbrief an den Deutschen Reisesicherungsfond wegen We-Flytours-Insolvenz
Nachfolgend der Inhalt meines Schreibens an den Deutschen Reiseversicherungsfond. Alle Angaben erfolgen ohne Gewährleistung. Bei mir steht im Sicherungsschein diese Adresse des Deutschen Reisesicherungsfonds GmbH.
Einschreiben
Deutscher Reisesicherungsfonds GmbH
Sächsische Straße 1
10707 Berlin
mein heutiges Schreiben vom [TT.MM.JJJJ]
Rückerstattung des Reisepreises wegen Insolvenz des Reiseveranstalters
We-Flytour GmbH, Gottlieb-Daimler-Straße 25, DE-74076 Heilbronn
Buchungs- und Rechnungsnummer [XXXXXX]
Sicherungsscheinnummer: [XXXXXX]-[XXXX]
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich hatte beim Reiseveranstalter We-Flytours GmbH eine Pauschalreise nach [ORT]/[LAND] für den Zeitraum vom [TAG] den [TT.MM.JJJJ] bis [TAG] den [TT.MM.JJJJ] gebucht. Die Buchungs- und Rechnungsnummer lautet [XXX].
Da der Reiseveranstalter aufgrund des eigenen Insolvenzverfahrens die Reise storniert hat, fordere ich Sie als Absicherer der geleisteten Zahlungen auf, mir den bezahlten Betrag in Höhe von [X.XXX,XX] EUR zu überweisen. Meine Kontodaten lauten:
Name der Bank: [XXX]
Kontoinhaber: [XXX]
IBAN: [XXX XXX XXX XXX XXX XX]
BIC: [XXXXXXXXXXX]
Mit freundlichem Gruß
[VORNAME NACHNAME]
Anlagen
Kopie Sicherungsschein
Kopie Rechnung
Kopie Zahlungsbestätigung
Resümee
Will man solche Erfahrungen sammeln? Sicherlich nicht. Aber ehrlich gesagt bin ich froh, zu wissen, dass ich den Reisepreis zwar nicht direkt aber doch irgendwann zurückerstattet bekomme. So viel nun zu Pauschalreisen + Reiseveranstaltern + Reisevermittlern + Sicherungsscheinen + Versicherungen + Rechtsschutz und so weiter und so fort. Hoffentlich ist hiermit die Geschichte fertig. Wenn nein, dann folgt hier die Fortsetzung.
Ich weise explizit darauf hin, dass die Informationen in diesem Artikel nur meine Erfahrungen widerspiegeln, somit ohne jegliche Gewährleistung meinerseits erfolgen. Um bei Fragen auf der sicheren Seite zu sein, empfehle ich grundsätzlich eine fundierte Rechtsberatung.
In diesem Sinne Pauschal-Reisende
Schreibe einen Kommentar